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Die Evangelisch-Theologische Fakultät in Wien

Karl Schwarz

Die Evangelisch-Theologische Fakultät, die seit 1974 sukzessive in ein Ferstel-Palais am Rooseveltplatz im Schatten der Votivkirche, übersiedelt ist und dort nunmehr in sechs Etagen zur Gänze untergebracht ist, zählt zu den kleinsten Fakultäten der österreichischen Universitätslandschaft.

Sie besteht aus insgesamt sechs Instituten:

  • Institut für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie (Vorstand: ao.Univ.-Prof. Dr. Marianne Grohmann)
  • Institut für Neutestamentliche Wissenschaft (Vorstand: Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Öhler)
  • Institut für Kirchengeschichte, christliche Archäologie und kirchliche Kunst (Vorstand: Univ.-Prof. DDr. Rudolf Leeb)
  • Institut für Systematische Theologie (Vorstand: o.Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner)
  • Institut für Praktische Theologie und Religionspsychologie (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. Wilfried Engemann)
  • Institut für Religionspädagogik (Vorstand: Univ.-Prof. DDr. Martin Rothgangel),

Am Lehr- und Forschungsbetrieb wirken die emeritierten bzw. pensionierten Universitätsprofessoren DDr.Dr.h.c. Peter F. Barton (KG), Dr. Kurt Lüthi (STh), Dr. Kurt Niederwimmer (NT), Dr. Alfred Raddatz (KG), Dr. Georg Sauer (AT) und Dr.Dr.h.c. Hans-Christoph Schmidt-Lauber (PTh), die Honorarprofessoren  Dr. Ulrich Kühn/Leipzig (STh), die externen Dozenten o.Prof. (Wuppertal) Dr. Siegfried Kreuzer (AT), tit.o.Univ.-Prof. DDr. Koloman Micskey (STh), Dr. Michael Murrmann-Kahl (STh), Dr. Dieter-Olaf Schmalstieg (STh), ao.Univ.-Prof. Dr. Karl Schwarz (KR) sowie die Assistenten Dr. Hans-Volker Kieweler (AT), Dr. Markus Öhler (NT), Mag. Werner Engel (NT), Mag. Marianne Fliegenschnee (KG), Dr. Marianne Grohmann (STh), Mag. Hellmut Santer (PTh) und weitere sechs externe Lektoren: Dr. Jutta Henner (NT), Dr. Ursula Baatz (STh), Prof. Dr. Hellmut Geissner (PTh), Prof. Dr. Thomas Reuter (PTh), OKR Dr. Michael Bünker (RP), Fachinspektor Dr. Alfred Garcia Sobreira-Majer (RP)  mit.

Im Zuge der Neukonstituierung der Universität im Rahmen der Reformen, die durch das Universitätsorganisationsgesetz von 1993 ausgelöst wurden, hat die Fakultät ein Leitbild erarbeitet, das im folgenden um den historischen Abschnitt gekürzt wiedergegeben wird.

[1] Die Evangelisch-Theologische Fakultät und ihre Bibliothek haben aufgrund ihrer Geschichte die besondere Verantwortung und Pflicht, in Österreich das Gesamtgebiet der Theologie aus protestantischer Kultur- und Wissenschaftstradition in Forschung und Lehre zu vertreten, sowie die historische Erinnerung an die eigene protestantische Tradition wachzuhalten.

[2] Die Evangelisch-Theologische Fakultät bedient sich zur Begründung ihrer Grundsätze eines doppelten Referenzrahmens: der biblischen und reformatorischen Tradition als ihrer Quelle und Grundlage sowie der erkenntnistheoretischen Voraussetzungen und emanzipatorischen Zielsetzungen der Neuzeit. Sie tut dies im Bewusstsein, dass sich beide Bereiche vielfach berühren und befruchten, aber zugleich auch in Spannung zueinander stehen können. Vor diesem Hintergrund weiß sich die Fakultät folgenden Grundsätzen und Zielen in Forschung und Lehre verbunden:

- dem Prinzip der evangelischen Freiheit und den humanistischen Freiheitspostulaten, insbesondere der Freiheit in Forschung und Lehre und der Freiheit der Lernenden und dem Respekt vor ihnen,

- der Verantwortung für eine humane Gesellschaft,

- der Achtung vor der Überzeugung der Anderen, dem Prinzip des Dialogs und der Meinungsvielfalt,

- der Achtung vor der Würde des Menschen, insbesondere der Gleichbehandlung von Frauen und Männern, sowie Menschen unterschiedlicher geschlechtlicher Identität, sozialer und ethnischer Herkunft und der Integration behinderter Menschen.

Die Evangelisch-Theologische Fakultät legt als Teil einer religiösen Minderheit in Österreich und vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte besonderes Augenmerk auf die Anliegen der Religionsfreiheit und die Achtung vor anderen religiösen und gesellschaftlichen Minoritäten.

[3] Die Forschungs- und Lehrtätigkeit der Evangelisch-Theologischen Fakultät erstreckt sich auf alle Ausformungen der biblischen und christlichen Tradition. Sie berücksichtigt dabei deren Einbettung in die vor- und außerchristlichen Religionen und tritt in kritischen Dialog mit diesen. Evangelische Theologie setzt sich aber ebenso mit den von ihr selbst wesentlich beeinflussten theologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen der Neuzeit auseinander und versucht von daher Antworten für die Welt von heute zu finden.

Seit jeher ist die Theologie ein integraler Bestandteil der universitas litterarum, insofern sie Grundfragen des Menschseins stellt. Als Theologie hat sie die Gottesfrage in einer säkularen Gesellschaft offenzuhalten und im Horizont der Moderne verantwortliche Rede von Gott einzumahnen und diese selbst aus biblischer Tradition zu formulieren. Die Fragen nach Freiheit, Würde und Sinn des Menschen dürfen nicht verloren gehen. Diese Grundfragen können nur im Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen sinnvoll beantwortet werden - wenn auch in aller Vorläufigkeit. Die Theologie darf sich um der Sache willen aus diesem Dialog der Disziplinen nicht heraushalten. Sie partizipiert dabei an den Methoden der übrigen Wissenschaften und versucht gleichzeitig ihr Proprium, die christliche Tradition, in den Dialog der Disziplinen einzubringen. Evangelische Theologie arbeitet deshalb von jeher im Sinne einer Universalwissenschaft wesentlich interdisziplinär.

Insofern die Theologie die genannten Fragen nicht nur stellt, sondern auch an Antworten mitarbeitet, übernimmt sie eine wichtige Funktion für die Gesellschaft. Der Anspruch der christlichen Botschaft wird von der Theologie auch auf ihre gesellschaftliche Relevanz hin durchdacht, um so im interkulturellen Dialog dem heutigen Menschen Orientierungshilfe zu geben, indem sie ihr christliches Erbe und sich daraus ergebende Standpunkte zur Sprache bringt.

Indem evangelische Theologie über den Glauben reflektiert, ist sie nur im Zusammenhang kirchlichen Selbstverständnisses möglich. Dabei ist sie aber keineswegs Erfüllungsgehilfin der jeweils gegebenen Kirchen und deren Leitungen, sondern sie steht ihnen in protestantischer Tradition und in der Freiheit der Wissenschaft auch als Korrektiv gegenüber. Die Fakultät sieht ihre Aufgabe in diesem Bereich darin, in kritischer Loyalität mit der Kirche zu handeln, um deren ursprüngliches Zeugnis unter den Bedingungen unserer Zeit möglichst adäquat weitergeben zu können. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Geschichte und Gegenwart des österreichischen Protestantismus und die Entwicklung von möglichen Zukunftsperspektiven. Aufgrund der historischen Verbindungen pflegt die Fakultät auch Kontakte mit den Evangelisch-Theologischen Fakultäten und Kirchen Südostmitteleuropas.

Die Evangelisch-Theologische Fakultät erfüllt neben der Forschung die (auch gesetzlich geregelte) Aufgabe der theologisch-wissenschaftlichen Berufsvorbildung der zukünftigen geistlichen Amtsträgerinnen und Amtsträger und der Vorbereitung auf Tätigkeiten im kirchlichen Wirkungsbereich und in Schulen, sowie in mit religiösen, kirchlichen, sozialpolitischen und wissenschaftlichen Fragen befassten Institutionen. Weiters zählt die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu den zentralen Aufgaben der Fakultät.

In ökumenischer Perspektive sucht die Fakultät weltweit die regelmäßige Zusammenarbeit und den Austausch mit anderen theologischen Fakultäten. Sie weiß sich damit den Anliegen einer ökumenischen Theologie besonders verpflichtet.

Angesichts der globalen Entwicklungen, die einen Dialog der Kulturen und Religionen fordern, sind nicht nur genuine Kenntnisse der eigenen religiösen, kulturellen und ethischen Tradition vonnöten, sondern gefordert ist auch allgemein die Fähigkeit, religiöse Vorstellungen verstehen und darstellen zu können. Evangelische Theologie kann hier aufgrund ihrer universalwissenschaftlichen Ausrichtung eine wichtige Aufgabe erfüllen, sie hat aber darüber hinaus in diesem Zusammenhang auch danach zu trachten, ihr Anliegen in Weite und Offenheit zu vertreten und kritisch einzubringen.